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Tuomas Oskari : Im Sturm der Macht

Buchbesprechung von Frank Rehag, Dezember 2023

dt. Erstausgabe: 2023 - Bastei Lübbe, Köln
finn. Originalausgabe: 2022 - Otava, Helsinki
Titel der finnischsprachigen Originalausgabe: "Miekka"
aus dem Finnischen von Anke Michler-Janhunen

In Finnland erschien dieser Roman unter dem Autorennamen Tuomas Niskakangas. Oskari ist der zweite Vorname des Autors, sein eigentlicher Nachname Niskakangas, so sagt er, sei für Ausländer ein wenig kompliziert, diese Erfahrung habe er während seiner Zeit in den USA gemacht.
Im Sturm der Macht ist die Fortsetzung des Plots zu Tuomas Oskaris Debütroman Tage voller Zorn. Auch wenn der hier vorliegende Politthriller als eigene Handlung funktioniert und für sich gelesen werden kann, empfiehlt sich die Einhaltung der chronologischen Reihenfolge der beiden Bücher aufgrund des Hintergrundwissens zum Themenumfeld.

Kurzer Rückblick: Mitten in der größten Wirtschaftskrise Finnlands hatte Leo Koski auf Betreiben konservativer Hintermänner das Amt des Ministerpräsidenten übernommen. Er war das perfekte Werkzeug, das dem eisernen Kurs der Regierung mit radikalen Kürzungen und dem damit einhergehenden Einsturz des Wohlfahrtsstaates ein menschliches Gesicht gab. Viel zu spät setzte er sich gegen die Strippenzieher im Hintergrund zur Wehr und fand gemeinsam mit Emma Erola, der ikonischen Anführerin der Linken, eine Lösung für die Krise. Daraufhin hatte Leo Koski das Amt des Ministerpräsidenten niedergelegt und war auch als Parteivorsitzender der Sammlungspartei zurückgetreten. Bevor die Krise überwunden werden konnte und Finnlands Zukunft wieder hoffnungsvoll wirkte, war Emma allerdings in Putschpläne gegen die legitimierte Regierung verwickelt. Trotz ihres entscheidenden Beitrags zur Beruhigung der angespannten Lage drohte ihr eine lange Haftstrafe. Das wusste Leo und verhalf ihr zur Flucht aus Finnland. Ein halbes Jahr lebten sie in einem abgeschirmten Luxusressort in Spanien.

Zurück im Jetzt, wir schreiben das Jahr 2028: Emma Erola gelang es während der Zeit im "Exil" trotz aller Annehmlichkeiten nie, die damaligen Ereignisse und die Nachrichten der Welt aus ihrem Geist zu verbannen. Ohne Vorwarnung kehrte sie nach Finnland zurück und stellte sich den Behörden. Seitdem – inzwischen ist ein knappes halbes Jahr vergangen – wartet sie auf ihr Gerichtsurteil und bereut ihr unüberlegtes Tun. Die Machtverhältnisse innerhalb der rechtskonservativen Koalition haben sich seit Beginn einer Flüchtlingskrise radikal verschoben, inzwischen bestimmt nicht mehr die Sammlungspartei die Regierungspolitik, sondern die Partei der Finnen. Der Tod des Kanzleichefs des Obersten Gerichtshofes – Mord oder Selbstmord? – und die Ernennung eines Nachfolgers waren der letzte Schritt zu personellen Säuberungen im Richterstand, die Zusammensetzung des Obersten Gerichtshofes wurde innerhalb kürzester Zeit im Sinne der Mitte-Rechts-Koalition verändert. Emma Erola droht nun eine lebenslange Haft wegen Hochverrats. Emmas Anwalt Ingvar Neufville sieht nur noch eine Chance, seine Mandantin vor dem Gefängnis zu bewahren: Leo Koski soll nach Finnland zurückkehren und beim Staatspräsidenten Emmas Begnadigung erwirken. Am Tag der Ankunft Leos in Helsinki überschlagen sich die Ereignisse. Finnlands Ministerpräsidentin Sarianne Tavas fällt bei einem Treffen mit Giovanni Politano, dem Staatssekretär des italienischen Premierministers, einem Attentat zum Opfer – ausgerechnet kurz vor dem Beitritt Finnlands in den FAST-Verbund, einer national gesinnten und offen rassistischen Vereinigung mehrerer Länder unter Federführung Italiens, die mit der Zunahme der Migrationsströme und den damit verbundenen aufgeflammten politischen Unruhen in Europa gegründet wurde. Während Einsatzkräfte und Medien mit den Geschehnissen um Tavas beschäftigt sind, wird die Operation Asgård gestartet, die Europa erschüttern und vom "Fluch des Liberalismus" befreien soll. Dazu soll eine katastrophale Situation mit Flüchtlingen herbeigeführt werden. Leo Koski versucht alles, um den drohenden Staatsstreich zu verhindern. Ihm zur Seite stehen Emmas Anwalt sowie die Geschichtsstudentin Sara Hegering, die sich aus Forschungsgründen vor längerer Zeit einer Heimatschutzgarde anschloss und nun auf der Flucht vor dieser ist, nachdem sie enttarnt wurde. Die Heimatschutzgarde ist Teil der Operation, die von einem gewissen Heimdall aus dem Hintergrund gelenkt wird. Welche Rollen sind dabei Leo und Emma zugedacht auf dem Spielbrett des scheinbar mächtigen und gut vernetzten Strippenziehers? Denn eines ist klar: nichts passiert zufällig... und nichts ist, wie es scheint...

Bereits das Romandebüt Tage voller Zorn katapultierte Tuomas Oskari auf Anhieb in die oberste Etage der Politthrillerautoren, ich schrieb seinerzeit von einem neuen Stern am Politthrillerhimmel. Diesen Status hält Oskari mit seinem zweiten Werk Im Sturm der Macht problemlos. Abermals brilliert der Autor mit einem Plot, dessen Geschichte zwar fiktional, in Kombination mit hochaktuellen Themen und faktenbasierten Informationen aber erschreckend nah an der Realität ist. Ähnliche Szenarien haben sich jüngst in zahlreichen Staaten mit rechtslastigen Regierungen zugetragen: das Oberste Gericht wird als Partner der Regierung gesehen und entsprechend zusammengestellt, das Gegengewicht zur Macht im Sinne der Gewaltenteilung wird aufgehoben. Das Hauptaugenmerk der Handlung liegt diesmal auf der steigenden Zahl an Flüchtlingen durch Kriege und Klimakrise und wie rechts gesinnte Regierungen damit umzugehen gedenken. Auf welch perfide Art Migranten benutzt werden, zeigen aktuell autokratisch geführte Länder, die Flüchtlinge illegal in Nachbarstaaten einschleusen mit dem Ziel, aufnehmende demokratische Staaten durch steigende Migrationszahlen zu destabilisieren. Hochinteressant ist der Vergleich zwischen der heutigen Zeit und der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, den der Autor eingeflochten hat und der mittels der Geschichtsstudentin Sara Hegering durch die Handlung transportiert wird. Tuomas Oskari weiß nur zu gut, worüber er schreibt. Als Politik- und Wirtschaftsjournalist schöpft er aus einem umfassenden Wissen zu politischen Zusammenhängen und er ist mit dem Zeitgeschehen vertraut. Ob er jedoch auch seherische Fähigkeiten besitzt, sei einmal dahingestellt. Fakt ist jedoch, dass die Idee zum Plot bereits in der ersten Hälfte der 2010er Jahre entstand. Damals war noch nicht abzusehen, dass Finnland bald darauf tatsächlich eine Ministerpräsidentin (Sanna Marin) haben würde und dass die Partei der Finnen (Perussuomalaiset) einmal Teil einer Mitte-Rechts-Regierung sein würde. Unbedingte Leseempfehlung!

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